(15) Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten. (16) Und ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll, (17) den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt. Ihr aber kennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird. (18) Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, ich komme zu euch. (19) Nur noch kurze Zeit und die Welt sieht mich nicht mehr; ihr aber seht mich, weil ich lebe und auch ihr leben werdet. (20) An jenem Tag werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir und ich bin in euch. (21) Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.
Johannes 14,15−21
Meditative Gedanken
Zu allererst ist es ein Beziehungsgeschehen: „Wenn ihr mich liebt.“ Das kennen wir. Was danach kommt, ist ebenfalls bekannt, denn unweigerlich folgt auf den Bedingungssatz die Folgerung. Genau hier entscheidet sich im Zwischenmenschlichen, ob es sich um eine Aussage mit oder ohne Hintergedanken handelt. „Wenn du mich liebst, dann …“ Vom Heiratsantrag bis hin zu subtiler Erpressung sind vielschichtige Variationen dieser Satzfolge denkbar.
Gleich stürzt sich die innere Zensur auf diese Überlegung. Darf man so über eine Aussage Jesu nachdenken? Lässt sich das mit zwischenmenschlichen Kategorien überhaupt einfangen? Der Verstand sagt: andere haben wir nicht. Das weiß auch Jesus, wenn er das menschliche Bild von den Waisen heranzieht, Inbegriff des Verlassen seins. So sollen wir nicht sein und bleiben, wenn er zum Vater geht.
Und dennoch übersteigt die Ankündigung Jesu mein Verstehen. Da wird etwas von seinem Vater, unserem Vater, ausgehen; ein Beistand, der Gemeinschaft stiftet, wie die Welt sie nicht kennt. Irritierend ist die klare Abgrenzung der beiden Bereiche: dort die Welt, die den Sohn nicht sehen noch den Geist empfangen kann, hier die Jünger Jesu. Hoffentlich auch wir. Und eigentlich ist es der wiederkehrende Sohn, der bei uns, den Jüngern bleibt, uns nicht verlässt. Wie das alles zusammendenken? Daher doch noch einmal zurück zum Notenschlüssel des ersten Satzes: Es ist etwas Nüchternes gemeint, kein Gefühlskino, keine überbordenden Emotionen: Wer liebt, der handelt entsprechend. Das ist Jesu Forderung. In Details verliert er sich nicht, es geht ums Ganze.
Etwas durchtragen, verlässlich zu seinem Wort stehen, dafür sorgen, dass es dem anderen gut geht – das muss nicht immer von großen Emotionen begleitet sein, das kann sehr alltäglich, das kann mühsam sein. Jeden Tag das Essen kochen, jeden Tag den kranken Angehörigen versorgen, Woche um Woche den anstrengenden Kollegen ertragen, Monat um Monat diesen Besuch machen, der so ersehnt wird. Das ist Liebe. Meint Jesus. Und genau dann nimmt er uns hinein in seine eigene Liebe zum Vater, das Band, das der Heilige Geist knüpft.
Fürbitten
Jesus verheißt den Seinen den Geist der Wahrheit und der Liebe. In diesem Geist beten wir zu Gott in den Nöten unserer Tage:
- Beten wir für die Christinnen und Christen, die anderen ein Vorbild sind. Für gläubige Menschen, die wegen ihrer Lebensweise angefeindet werden. Denken wir auch an jene, die an den eigenen moralischen Ansprüchen scheitern.
- Wir beten für alle verunsicherten Menschen. Wir denken an jene, die in diesen Tagen nach einfachen Wahrheiten suchen und die sich von Verschwörungstheorien und falschen Nachrichten in die Irre führen lassen.
- Wir beten für die Männer und Frauen, die vor ihrer Zukunft Angst haben. Für die vielen in Kurzarbeit und alle, die arbeitslos geworden sind. Für Unternehmer und Unternehmerinnen, die ihre Betriebe aufgeben müssen.
- Wir beten für die Pflegekräfte und alle, die sich in den Krankenhäusern, Altenheimen und Pflegeeinrichtungen für das Wohl der ihnen anvertrauten Menschen einsetzen. Für alle, die von schlechten Arbeitsbedingungen belastet sind.
- Wir denken an die Schülerinnen und Schüler, die Lehrerinnen und Lehrer. Für alle, die sich zurzeit an einen neuen Schulalltag gewöhnen. Für die Kinder, die weiterhin zuhause bleiben müssen, und ihre Eltern, die sie betreuen.
- Beten wir für die Bürgerinnen und Bürger in Israel und für ihre neue Regierung. Für alle, die eine friedvolle Zukunft im Heiligen Land mitzugestalten versuchen.
- Wir beten für alle Opfer von Gewalt und denken besonders an die Toten und Verletzten beim Anschlag auf die Geburtsklinik in Kabul.
Guter Gott, du sendest deinen Geist des Trostes und der Zuversicht allen, die dich darum bitten. Darum danken wir dir jetzt und in Ewigkeit.
Amen.
Marion Bexten, Saarbrücken